Simulation ist mehr als Software

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Funktionssicher und robust: Liebherr-Elektronik aus Lindau

Unfassbar – kaum messbar – aber genau simuliert

Wenn es um anwendungsspezifische Elektroniklösungen geht, liegt der Fokus der Liebherr-Gruppe auf der Liebherr-Elektronik GmbH in Lindau am Bodensee. Dort ist rund ein Viertel der Belegschaft – insgesamt 580 Mitarbeiter – im Bereich Forschung und Entwicklung tätig, und immer mehr nutzen Simulationssoftware von ANSYS und CADFEM, um anspruchsvolle Entwicklungen schneller voranzutreiben.

Die hochwertigen Elektronik-Baugruppen und Komponenten aus Lindau spielen in zahlreichen Maschinen der Firmengruppe eine entscheidende Rolle, zum Beispiel in Baumaschinen, in der Luftfahrt oder der Verkehrstechnik. Hinzu kommen viele externe Kunden aus den unterschiedlichsten Branchen, die sich auf die ausgereiften und langlebigen Elektroniklösungen von Liebherr verlassen.

Liebherr in Lindau: Elektronik-Simulation mit viel Potential

Nachdem zwischen Liebherr und ANSYS im Jahr 2019 ein Rahmenvertrag abgeschlossen wurde, können alle Mitarbeitenden aus dem Entwicklungsbereich auf das gesamte Simulations-Portfolio von ANSYS zugreifen, ohne zusätzliche Software-Investitionen. Dadurch werden neben den bisher durchgeführten Berechnungen für Struktur- und Strömungsmechanik nun mehr und mehr elektromagnetische und elektronische Simulationsanwendungen durchgeführt, vor allem natürlich bei der Liebherr-Elektronik GmbH in Lindau.

Als jahrzehntelanger Liebherr-Partner für numerische Simulationen unterstützt CADFEM bei Bedarf auch die Entwicklung in Lindau durch ergänzende Beratung, durch Zuarbeiten oder auch die Ausbildung von Anwenderinnen und Anwendern.

Der Einstieg in die Elektroniksimulation begann in Lindau mit mehreren von CADFEM organisierten Simulations-Workshops. Das Interesse und die Beteiligung an den Workshops waren groß und entfachte bei vielen Entwicklungsmitarbeitenden Begeisterung für die Simulation. Dazu erklärt Lars Hummel, der bei der Liebherr-Elektronik GmbH Komponenten für die Luftfahrt entwickelt: „Wir haben viel gelernt, nicht nur über Simulation. Den erfahrenen Elektronikentwicklern wurden Wege aufgezeigt, um auch zukünftige Herausforderungen meistern zu können. Aber auch die jüngeren beziehungsweise neueren Kollegen konnten einen guten Einstieg in die Welt der Elektroniksimulation finden und einige führten gleich im Anschluss erste Simulationen durch, meist mit thermischen Fragestellungen.“

Um das Wissen weiter zu vertiefen und das Nutzenpotenzial möglichst umfassend auszuschöpfen, entstanden im Elektronikbereich in Lindau drei Simulations-Kompetenz-Center:

  • Thermal-Management
  • Signalintegrität
  • Powerintegrität

Gleichzeitig wurden entsprechende Key-User benannt und auch ein standortübergreifender Austausch vorangetrieben. So kann das aufgebaute Simulations-Know-how gebündelt werden, um innerhalb der Entwicklung besser voneinander zu lernen sowie Synergien zu finden und zu nutzen. Dadurch werden die Anzahl der realen Prototypen reduziert, die Entwicklung beschleunigt und die Zeit- und Kosteneffizienz erhöht, mit dem Ziel, die erkämpften Marktanteile zu sichern und auszubauen.


Sicherstellung der Signalintegrität bei hohen Frequenzen

Bei High-Speed-Projekten in der Elektronikentwicklung – bei Liebherr in Lindau werden unter anderem Systeme für die Klimatisierung von Flugzeugen sowie die Flug-, Klappen- und Fahrwerksteuerungen entwickelt – ist die Simulation zwingend notwendig. Denn die Sicherstellung der Signalintegrität ist im hohen Frequenzbereich mit herkömmlichen Messmethoden kaum durchführbar, da die Messungen selbst schon zu erheblichen Verfälschungen des Signals führen können.

Dazu erläutert Lars Hummel: „In einem aktuellen Vorentwicklungsprojekt für Luftfahrtelektronik bereiten wir uns auf die Entwicklung unserer nächsten Generation von Digitalprodukten vor. Schwerpunkte in dem Vorentwicklungsprojekt sind die High-Speed-Verbindungen zwischen Multi-Core-Prozessor, Arbeitsspeicher, FPGAs und Schnittstellen, die sich teilweise bei den Herstellern selbst noch in der Entwicklungsphase befinden.“ Damit die wesentlich höher taktenden Bauteile im System zuverlässig zusammenarbeiten, muss die Liebherr-Entwicklung jetzt neue Herausforderungen meistern, die sich von allen bisherigen gravierend unterscheiden. Dafür reicht es nicht wie bisher üblich aus, sich auf die vorhandenen Layout- und Hardware-Erfahrungen zu verlassen. Immer öfter ist es zwingend erforderlich, die neuen kritischen Schaltungskomponenten schon in möglichst frühen Entwicklungsphasen zu simulieren. Dazu werden Entwicklungsschleifen – bestehend aus Simulations- und Optimierungsphasen – solange durchlaufen, bis die Simulationsergebnisse alle Anforderungen problemlos erfüllen.

Signal-Intigrität mit Simulation sicherstellen

Die Architektur eines aktuellen Vorentwicklungsprojekts, das primär auf High-Speed-Design ausgerichtet ist, sieht die High-Speed-Kommunikation zwischen Multi-Core-Prozessor mit FPGAs und zwischen den FPGAs untereinander über einen High-Speed-Datenbus vor. Dieser basiert auf einer seriellen Vollduplex-Punkt-zu-Punkt-Topologie, die aus einem Root-Baustein und mehreren Endpunkt-Bausteinen bestehen. Die bauteilinternen High-Speed Takt- und Daten-Schnittstellen entsprechen dem HCSL-Standard (High Speed Current Steering Logic), der speziell für Hochgeschwindigkeits-Datenübertragung definiert wurde. Hier werden die digitalen Signale differenziell und mit kleiner Spannung übertragen.

HCSL ist der Standard für verschiedene High-Speed Express-Taktgeber und es handelt sich hier um einen offenen Emitter-Ausgang mit einer Stromquelle von 15 mA, der einen externen Widerstand von 50 Ω gegen Masse benötigt, damit der Ausgang schalten kann. HCSL ist für eine Impedanz von 50 Ω single-ended oder 100 Ω differential spezifiziert. Der implementierte Single-Lane-High-Speed Link besteht aus einem differenziellen Sende- und Empfangspaar, die AC-gekoppelt sind. Die Sende- und Empfangsspuren sind unabhängig voneinander und der Empfänger gewinnt den Takt aus dem Datenstrom zurück. Die Daten sind 8b/10b kodiert und die Übertragungsrate beträgt 2,5 Gbits/s.

Das Augen-Diagramm gibt Auskunft über die Signalqualität

De-Emphasis kann am Sender angewandt werden, um Hochfrequenzsignale zu verstärken, damit die Anforderungen an die Augenhöhe am Empfänger erfüllt werden. Mit ANSYS SI-Wave werden die relevanten Signal-Leitungen aus der ersten Layout-Version importiert und in die Simulation integriert. Neben zahlreichen Parametern kann anhand des Augen-Diagramms grafisch dargestellt werden, wie die Sende-Signale den erforderlichen Werten der Empfängerseite entsprechen bzw. wie viel Jitter und Störabstand vorhanden ist.

Augendiagramm

Das Augendiagramm zeigt die grüne Fläche in der Mitte, die vom Empfänger geforderte Signal-Grenzen (Pegel vs. Zeit). Die simulierten Signale sind hier blau dargestellt und zeigen den zu erwartenden Signal-Verlauf an, der sich durch diverse Optimierungen im Schaltungsdesign, im Layoutdesign oder auf Sender- bzw. auf Empfängerseite beeinflussen lassen.

TDR-Simulation

Um Störungen im Design zu finden, kann mit der SI-Wave-Simulation eine TDR-Antwort (Time Domain Reflectometry) simuliert werden, mit der die Position der Störstellen (großer Ausschlag der Reflexion) für die Übertragung sichtbar werden. Aus dieser TDR-Wellenform ist zu erkennen, dass es – aufgrund von Impedanz-Änderungen – starke Reflexionen auf der Leiterbahn gibt.

Lokalisierung der Stoerstellen

Der Unterschied zwischen den elektrischen Eigenschaften zweier Segmente ist im folgenden Layoutausschnitt die Ursache für eine der großen Reflexionen, die in der TDR-Welle zu sehen sind. Die Parameter der Übertragungsleitung des ersten Segments müssen angepasst werden, damit sie mit dem zweiten Segment übereinstimmen. Dies ist eine erste grobe Anpassung, der eine weitere Feinabstimmung folgen wird.


Mit Simulation lassen sich auch enge Zeitpläne einhalten

„Das Vorentwicklungsprojekt war für uns auch wichtig, um die Entwicklungs- und Simulationsprozesse besser kennenzulernen und eventuellen Stolpersteine aufzuspüren und aus dem Weg zu räumen“, betont Lars Hummel. „Wurde der Weg einmal gegangen und dokumentiert, ist es für die Nachfolgenden einfacher, ihn zu gehen und sie kommen viel schneller voran.“ Die Simulation spielt auch verstärkt eine Rolle, wenn es darum geht enge Zeitpläne einzuhalten. Ebenso ist die Simulation ein starkes Argument, wenn es gilt, den Kunden zu überzeugen, dass Liebherr der richtige Entwicklungspartner für die Produkte der nächsten Generation ist. Denn Liebherr kann sowohl das erforderliche Know-how als auch die notwendigen effizienten Werkzeuge präsentieren.

Speziell in der Flugzeugindustrie ist die Zuverlässigkeit der gelieferten Produkte entscheidend, zum Beispiel bei der Signalintegrität. Dazu muss nicht nur die gewünschte Form der Signale geliefert werden, sondern für die geforderten Kennwerte sind auch ausreichende Sicherheitspuffer zu berücksichtigen, um ein robustes System zu erhalten. Das ist mit Simulationen einfacher zu bewerkstelligen. „Früher haben wir oft externe Spezialisten mit Berechnungen beauftragt, konnten aber nur sehr begrenzte Erkenntnisse aus der Simulation ziehen“, berichtet Lars Hummel. „Teils war es schwer die Ergebnisse im Detail zu verstehen und richtig einzuordnen. Außerdem mussten wir, wenn kleine Modifikationen am Simulationsmodell notwendig waren, eine erneute Beauftragung veranlassen. Das war langwierig und aufwendig. Dadurch, dass wir die Simulationen jetzt eigenständig durchführen, erlangen wir das erforderliche Detailverständnis und sind wesentlich flexibler geworden. So werden wir unserem Ingenieursanspruch in vollem Umfang gerecht und erhalten in kurzer Zeit mit der Simulation eine optimale Lösung.“

Machbarkeitsstudien mit Ansys HFSS

Mit der Simulation kann schon in der Konzeptphase betrachtet werden, ob die Signalintegrität den jeweiligen Anforderungen entspricht und der gewählte Weg prinzipiell begehbar ist. Mit den in Ansys HFSS durchgeführten Machbarkeitsstudien lassen sich schon viele grundsätzliche Fragen beantworten, beispielsweise: Wie soll die Architektur der elektronischen Steuerungen gestaltet werden? Wie wird mit den Signalen verfahren, wo werden die Verbindungen auf der Leiterplatte platziert? Wo sind Flachbandkabel erforderlich und welche Steckertypen lassen sich verwenden?

Wichtiges Kriterium bei der Powerintegrität ist es, ausreichend Versorgungsleistung zu den einzelnen ICs zu bringen. Mit Simulationen kann analysiert werden, ob der Strom durch alle angebotenen VIAs fließt. Sie zeigt, durch welche Modifikationen eine möglichst gleichmäßige Auslastung erreichbar ist: mit wenigen sehr leistungsfähige VIAs oder eher mehrere Standard-VIAs in spezieller Anordnung? Bei solchen Fragen liefert die Simulation sehr aufschlussreiche Erkenntnisse für die Auslegung eines robusten Designs, die mit Tests nicht so einfach oder gar nicht erzielbar sind.

Dadurch, dass wir die Simulationen jetzt eigenständig durchführen, erlangen wir das erforderliche Detailverständnis und sind wesentlich flexibler geworden. So werden wir unserem Ingenieursanspruch in vollem Umfang gerecht und erhalten in kurzer Zeit mit der Simulation eine optimale Lösung.

Lars Hummel, Liebherr-Elektronik GmbH

Steigende Anforderungen mit Simulation meistern

Bisher sind die Layouts basierend auf den umfassenden Erfahrungen der Liebherr-Entwicklung entstanden. Aber mit steigender Anforderung und Komplexität reichen die traditionellen Methoden teilweise nicht mehr aus. Die umfassenden Erfahrungen der Entwicklung und die in der Vergangenheit aufgestellten eigenen Regeln (Guidelines) werden durch den schrittweisen Ausbau der Simulation sinnvoll unterstützt.

„Unsere Erfahrungen zeigen, dass wir das Verhalten der einzelnen Bauteile mit Simulationen detailliert analysieren und dadurch auch das gesamte System besser verstehen und entwickeln können“, erläutert Lars Hummel. „Indem wir unsere eigenen hohen Qualitätskriterien erfüllen, garantieren wir auch unseren Kunden die versprochene Sicherheit bezüglich der Funktionalität der Produkte.“

Liebherr-Elektronik GmbH
Lars Hummel
www.liebherr.com/lindau

Autor: Gerhard Friederici, CADFEM
Bilder: © Liebherr, Dassault
Veröffentlicht: Juni 2022

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