Vorausschauend zum nachhaltigen Produkt
Die klassischen Ziele der Produktentwicklung „hohe Leistung“ und „niedrige Kosten“ haben Gesellschaft bekommen: „Nachhaltigkeit“ ist von einem „Nice-to-Have“ zum dritten Eckpfeiler geworden, wenn Weichen für neue Produkte gestellt werden. Ein Eckpfeiler, der inzwischen gleichberechtig zu den beiden anderen einbezogen werden muss.
Denn es wird ernst: Einerseits treten strenge und verbindliche Vorgaben von Gesetzgebern, Industrieverbänden und Umweltorganisationen in Kraft, wie die Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) der EU. Zum anderen ist ausgewiesene Nachhaltigkeit zum Faktor für Kaufentscheidungen geworden – im B2B wie im B2C. Die Umwelt- und Klimakrise ist endgültig in der Industrie angekommen und es gibt Handlungsbedarf. Aber auch Chancen.
Produktentwicklung heute
Änderungskosten steigen im Produktentstehungsprozess exponentiell an, je später Eigenschaften verändert werden, desto teurer wird es. Hier setzen Digital Engineering und Front Loading an: In frühesten Entwicklungsphasen, lange bevor sie physikalisch existieren, optimieren Ingenieure zukünftige Produkte an detaillierten digitalen Modellen.
Denn die künftige „Performance“ und die Kosten für Komponenten, Herstellung und Verwendung sollen von Anfang an transparent sein. Über die Materialienwahl, Designs und Bauweisen wird auch schon der ökologische Fußabdruck adressiert.
Doch Nachhaltigkeit hat noch weitere Facetten, die – der Gesetzgeber lässt grüßen - quantifiziert und offengelegt werden müssen:
- Der CO2-Fußabdruck für Transporte, Herstellung, Betrieb
- Weitere Umweltauswirkungen, z.B. durch die Verwendung kritischer Substanzen
- Aspekte der Entsorgung und Kreislaufwirtschaft
- Soziale Auswirkungen
Wie können im Digital Engineering auch solche Größen frühzeitig einbezogen und im Einklang mit Performance und Kosten optimiert werden? Wie gelingt „Design for Sustainability“?
Nachhaltigkeit: Die unbekannte Dritte
Die meisten dieser Eigenschaften werden heute erst im Laufe ihres Produktlebens erfasst, dokumentiert, kumuliert und bewertet. Es wird nachgerechnet, wenn das Produkt schon da ist, oft mit Informationen aus gemischten Quellen.
Die Konsequenzen, d.h. die Analyse, was besser gemacht werden muss und die Umsetzung, folgen daher oft auf einer unklaren Datenbasis und erst bei der nächsten oder übernächsten Produktgeneration. Das kann riskant sein, ist aber zumindest ein schmerzhafter Zeitverlust bei der Erreichung von Nachhaltigkeitszielen und eine vergebene Chance bei Innovation und Umsatz. Hinzu kommt, dass sich Vorgaben, Regeln und Gesetze ändern, nicht immer einheitlich sind und durch zu spätes Nachziehen von Eigenschaften möglicherweise erneut verfehlt werden.
Digitalisierte Materialintelligenz schafft Transparenz
„Design for Sustainability“ bedeutet, das Thema Nachhaltigkeit vorausschauend anzugehen. Aber: Die Integration der Ökobilanz eines Produktes in einem sehr frühen Stadium des Entwicklungsprozesses steht noch am Anfang. Abgesehen vom lange fehlenden Handlungsdruck liegen die Gründe dafür in der Komplexität solcher Daten und der Dynamik bei den Kriterien.
Dreh- und Angelpunkt für Nachhaltigkeitsaspekte sind die Materialien, aus denen ein Produkt gefertigt wird: Ohne Material kein physisches Produkt. Material muss gewonnen, gekauft, transportiert und verarbeitet werden; seine Materialien prägen ein Produkt und sein „Leben“ – und damit des Life Cycle Assessments (LCA) - bis an dessen Ende und der Frage, ob sie wiederverwendet, recycelt oder entsorgt werden müssen. Dies alles zahlt auf die Nachhaltigkeit des Produktes ein und muss laut CSRD und anderen Direktiven offengelegt werden.
Gleichzeitig bietet Material aber auch viele Stellschrauben, um ein Optimum im Hinblick auf möglichst geringe negative Umweltauswirkungen zu erreichen: Als Trade-Off zu Performance und Kosten oder – Stichwort: Innovation - sogar als Treiber für einen Wettbewerbsvorsprung durch bessere Performance und höhere Erlöse, denn nachgewiesene Nachhaltigkeit wird vom Kunden honoriert.
Digitalisierte Materialintelligenz bedeutet Konsistenz. Einer einheitlichen Struktur folgend werden die Daten erfasst und verwendet. Entscheidungen werden immer auf ein und derselben Datenbasis getroffen, der „Single Source of Truth“. Dies betrifft die Konstruktion, wenn Materialien ausgewählt werden, CAE-Ingenieure, die Varianten bewerten, den Einkauf und die Produktion, die die Produkte am Ende genau so realisieren, wie geplant.
Zentral, integrativ, intelligent
Mit Granta MI – das MI steht für „Material Intelligence“ – stellt Ansys dafür eine Unternehmensplattform zur Verfügung. Granta MI liefert das Framework für eine zentrale, aktuelle und integrative Informationsquelle für das gesamte Materialwissen im Unternehmen. Nicht als Insellösung, sondern verzahnt mit allen anderen digitalisierten Unternehmensprozessen, von CAD und CAE über PLM bis hin zum ERP. Eine einzige, zuverlässige und aktuelle unternehmensweite – intelligente! - Quelle zum Thema Material die alle Bereiche nutzen und pflegen – von F&E, Materialwesen und Versuch über Produktion, Qualitätssicherung und Beschaffung bis hin zum Vertragswesen.
- Materialinformationen sind grundsätzlich komplex und vielschichtig; sie müssen oft mühsam beschafft werden, zudem nimmt die Auswahl an Materialien ständig zu.
- Vorschriften verändern sich immer wieder, sie sind regional unterschiedlich, zudem wächst die Zahl der Substanzen, die als „schädlich“ eingestuft werden.
- Kosteneffekte müssen berücksichtigt werden i.S.v., je früher das optimale Material gefunden wird, desto günstiger wird entwickelt; es bestehen auch Abhängigkeiten zur Lebensdauer des Produktes bei sehr unterschiedliche Interessenslagen unter den Beteiligten
Neu: Ein Modul für Nachhaltigkeit
2024 hat Ansys Granta MI ein neues Modul bekommen, das dezidiert für die frühe Implementierung der wichtigen Nachhaltigkeitsaspekte entwickelt wurde: Ansys Granta MI Sustainability. Die Erfassung, Verknüpfung und Auswertung sämtlicher nachhaltigkeitsrelevanter Informationen im Kontext Material versetzt Unternehmen in die Lage, auch die Umweltauswirkungen künftiger Produkte sehr früh in den Entwicklungsprozess einzubeziehen und bereits mit dem Vermarktungsstart auszuweisen. Flexibel, zuverlässig und nach anerkannten Standards und den hauseigenen Spezifikationen - und ohne die Auswirkungen auf Produktperformance und Kosten aus den Augen zu verlieren.
Nachhaltigkeit oder nachhaltige Entwicklung bedeutet, die Bedürfnisse der Gegenwart so zu befriedigen, dass die Möglichkeiten zukünftiger Generationen nicht eingeschränkt werden. Dabei ist es wichtig, die drei Dimensionen der Nachhaltigkeit – wirtschaftlich effizient, sozial gerecht, ökologisch tragfähig – gleichberechtigt zu betrachten. Um die globalen Ressourcen langfristig zu erhalten, sollte Nachhaltigkeit die Grundlage aller politischen Entscheidungen sein. (Quelle: Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung; www.bmz.de)
Die Ergebnisse von Ökobilanzen (Life Cycle Assessments, LCA) können zur Prozessoptimierung für eine nachhaltige Produktion genutzt werden. Sie dienen bei der Produktbewertung als Entscheidungshilfe zum Beispiel bei der Vergabe des Blauen Engels oder bei Fragestellungen zum Verpackungsgesetz. (Quelle: Bundesumweltamt, www.bundesumweltamt.de)
Ansys Granta MI Enterprise ist die unternehmensweite Zentrale für das gesamte und immer aktuelle digitale Materialwissen. Sie wird von sämtlichen Bereichen genutzt, für die werkstoffspezifische Informationen relevant sind: Materialexperten, Labor, Simulation, Konstruktion, Einkauf, Qualitätssicherung und Nachhaltigkeitsmanagement / CSRD. Auch die Anbindung an die eigenen CAD-, CAE-, PLM- und ERP Systeme ist möglich. www.cadfem.net/grantami
Einen vollständig digitalisierten Entwicklungsprozess erreicht man nicht mit der Brechstange, sondern schrittweise nach dem Motto: „equal or better“, betonte Dr. Marius Lakomiec, Team Manager Data Analytics und Business Intelligence bei EOS, beim Digital Engineering-Talk Blueprint. Dies gilt auch für verbesserte Ökobilanzen durch die Umsetzung von „Design for Sustainability“.