Simulation ist mehr als Software

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Simulationskultur nachhaltig in den Entwicklungsprozessen verankern

Entscheidungen früh, schnell und sicher treffen

Die Simulation ist in der Produktentwicklung seit Jahrzehnten als zuverlässiges Werkzeug anerkannt, aber Simulation ist kein Selbstzweck. Das volle Potential der Simulation erschließt sich für ein Unternehmen, wenn viel mehr Fachleute, die am Entwicklungsprozess beteiligt sind, in die Lage versetzt werden, mit Live-Simulationen die notwendigen Designentscheidungen schneller, früher und sicherer zu treffen.

Interview mit Dr. Ulrich Kaiser, ehemals Direktor Technologie bei Endress+Hauser

Jedoch hängt der Erfolg nicht allein von der Verfügbarkeit entsprechender Simulationssoftware ab. Was zusätzlich unbedingt erforderlich ist, formuliert Dr. Ulrich Kaiser als ein „Verankern von Simulationskultur entlang des gesamten Entwicklungszyklus“. Das CADFEM Journal sprach mit Ihm, der mehr als 15 Jahre als Direktor Technologie in der Konzernholding der Endress+Hauser AG tätig war, darüber, wie dies am besten zu bewerkstelligen ist.

Was macht den Erfolg eines Unternehmens aus?

Jede Firma funktioniert als eine Wertschöpfungsmaschine. Umso besser – das heißt qualitativ hochwertig und wettbewerbsfähig – die Produkte sind, die hergestellt werden, umso höher ist die Wertschöpfung. Ausschlaggebend sind unter anderem ein guter Einkauf und effiziente interne Prozesse. Dabei trägt das Management schon heute die Verantwortung für die Sicherung auch der zukünftigen Wettbewerbsfähigkeit, nicht nur der aktuellen.

Folglich muss zunächst das Management überzeugt werden, wenn neue Werkzeuge und damit verbunden veränderte Prozesse in einem Unternehmen etabliert werden sollen. Wird vom Management erkannt, dass sich so ein Nutzen für das Unternehmen ergibt und die Wertschöpfung erhöht werden kann, ist eine positive Entscheidung absehbar.

Nur durch Simulation lässt sich sicherstellen, dass einerseits weniger aufwendige reale Prototypen notwendig sind und andererseits viel mehr Ideen in Form von virtuellen Prototypen untersucht werden können.

Dr. Ulrich Kaiser, ehemals Direktor Technologie bei Endress+Hauser

Welcher Nutzen steht im Fokus der Simulationsanwendungen?

Nur durch Simulation lässt sich sicherstellen, dass einerseits weniger aufwendige reale Prototypen notwendig sind und andererseits viel mehr Ideen in Form von virtuellen Prototypen untersucht werden können. Im Konstruktionsprozess ergeben sich weniger Iterationen, weil man früher auf kritische Stellen aufmerksam wird und reagieren kann.

Die für die Wertschöpfung ausschlaggebenden Produktkriterien wie Zuverlässigkeit, Nachhaltigkeit und Attraktivität lassen sich durch den gezielten Einsatz von Simulationen entscheidend verbessern. Der gesamte Konstruktionsprozess lässt sich beschleunigen, was zu einer schnelleren Produktreife und -verfügbarkeit führt. Alle diese Nutzenaspekte stärken die Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens nachhaltig.

Diese grundlegenden Vorteile sehen wir nicht nur bei sehr speziellen und komplexen Aufgabenstellungen, sondern natürlich auch im täglichen Konstruktionsprozess bei den sogenannten „Routinetätigkeiten“. Bei Deckeln, Gehäusen oder Halterungen entscheidet der Konstrukteur wo Verstärkungen sinnvoll sind noch bevor ein Werkzeug für den Protoptypen bestellt wird.

Beispiele aus des Praxis: Promass Q

Aus einem Artikel von Dr.-Ing. Alfred Rieder im CADFEM Journal 2018/2

Ein herausragendes Produkt aus dem breiten Angebotsspektrum von Endress+Hauser ist der Coriolis-Masssedurchflussmesser Promass Q. Dieses Prozessmessgerät wird in eine Prozessleitung eingefügt und bestimmt dort kontinuierlich Prozessgrößen des durchströmenden Fluids. Neben dem Massedurchfluss (±0,05%) ermittelt dieses Messgerät ebenso die Dichte (±0,2 kg/m³) und die Temperatur (±0,1°C) mit außerordentlich hoher Genauigkeit.

Im Promass Q wurden 15 Patente umgesetzt, und während der sechsjährigen Entwicklungs- und Industrialisierungsphase wurden etwa 1.000.000 virtuelle Prototypen berechnet. Die innovative „Multi-Frequenz-Technologie“ wurde vor einigen Jahren unter anderem mit dem „Swiss Technology Award“ sowie dem „German Innovation Award“ ausgezeichnet. Komplexe schwingungsfähige Systeme wie Promass Q wären ohne numerische Simulation nicht realisierbar. Bei der Entwicklung von modernen Prozesssensoren ist ein kombiniertes Vorgehen mittels experimentellem Aufbau flankiert durch Simulationsmethoden nicht mehr wegzudenken.

Um nicht den Bezug zur Realität zu verlieren, ist es hilfreich, so oft wie möglich eine Brücke zwischen den realisierten Prototypen einerseits und der FEM-Simulation andererseits zu schlagen. Der damit verbundene Abgleich der Materialparameter ist Grundlage für eine genaue Vorhersage des realen Systemverhaltens durch die Simulation. Als Früchte dieses Vorgehens wird aus der FEM-Simulation ein besseres Verständnis für das Funktionsprinzip des Messgerätes gewonnen. Mittels Ansys Workbench lassen sich experimentell beobachtete Phänomene am Rechner nachvollziehen und oft auch verstehen, was wesentlich zur Entwicklung von Lösungsansätzen beiträgt. Durch die Simulation kann in dieser Phase auf viele kostspielige und zeitaufwendige Experimente verzichtet werden.

Im Promass Q wurden 15 Patente umgesetzt, und während der sechsjährigen Entwicklungs- und Industrialisierungsphase wurden etwa 1.000.000 virtuelle Prototypen berechnet.

Dr.-Ing. Alfred Rieder, Endress+Hauser Flowtec AG

Welche Rolle nimmt die Simulation in der Produktentwicklung heute ein?

Die Vorteile der Simulation sind anerkannt. Jede Firma, die Produkte entwickelt, hat heute in irgendeiner Form Zugang zu Berechnungsexperten. Simulation findet aber typischerweise als Validierungsschritt am Ende einer Entwicklungsschleife statt. Es ist ein Thema, das mit einem gewissen Mythos und Expertenwissen verbunden ist. Dadurch wird das eigentliche Potential, das sich hier bietet, noch nicht ausgeschöpft.

Welches zusätzliche Nutzenpotenzial können die Unternehmen mit der Einführung der Live-Simulation abschöpfen?

Bisher kann ein Konstrukteur nur bei einem der wenigen Experten einen Simulationsauftrag platzieren, beispielsweise wenn er mehrere Varianten vergleichen will. Umso mehr simuliert werden soll, umso schwieriger wird es, dieses Konzept weiter zu verfolgen. Das lässt sich nicht für eine breite Anwendung in der gesamten Entwicklung realisieren, da es nicht einfach skalierbar ist.

Durch das Vorhandensein aller Daten in digitaler Form ist heute der Weg frei, die Effizienz des Entwicklungsprozesses weiter zu steigern. Jeden Entwickler-Arbeitsplatz mit Simulation auszustatten ist ein wichtiger Baustein auf diesem Weg und folglich der nächste logische Schritt.

Welche Rolle spielt hier die Livesimulation für Endress und Hauser?

Mit Live-Simulation wird die Komplexität der Simulation aus den meisten alltäglichen Anwendungsfällen eliminiert. Wir sehen in der Anwendung der Live-Simulation bei Endress+Hauser, dass sie gut funktioniert. Das bestätigen die Praktiker aus den Konstruktionsabteilungen und ihre Vorgesetzten. Und sie funktioniert unter anderem auch deshalb so gut, weil die Software „die Sprache der Konstrukteure spricht“.

Live-Simulation ist einfach und verständlich. Weil sie so zugänglich ist und sogar in unserem CAD-System integriert zur Verfügung steht, kann jeder Konstrukteur schnell und parallel zur Konstruktion die kritischen Stellen analysieren und visualisieren. Das bedeutet für die Kollegen einerseits mehr Sicherheit in der alltäglichen Arbeit und andererseits eröffnet es die Möglichkeit, alternative Herangehensweisen einfach und schnell auszuprobieren. Damit lassen sich neue Ideen entweder stringent weiterentwickeln oder, wenn sie ungeeignet sind, schnell wieder verwerfen.

Wie lässt sich die Simulation möglichst tiefgreifend in den Produktentwicklungsprozess integrieren?

Konstruktionsprozesse basierten bisher meist auf Normen, Richtlinien und Erfahrungen. Jetzt sollte auch die Simulation zu einem klar definierten Bestandteil des Konstruktionsprozesses werden. So lässt sich die Simulationskultur in allen Schritten eines Entwicklungszykluses verankern.

Beispielsweise könnte mit einem gemeinsamen Projekt zur Optimierung des Konstruktionsprozesses mittels Simulation gestartet werden. Denn für eine erfolgreiche Implementierung der Simulation müssen sich auch die Sicht- und Arbeitsweisen der Beteiligten ändern. Neben der Schulung der Anwender ist eine gut funktionierende Wissens-Community für den Simulationseinsatz eine wichtige Stütze für das Change-Management.

In diesem Zusammenhang soll die Kommunikation mit und zwischen allen Beteiligten hervorgehoben werden. Es kann nicht genug darüber gesprochen werden, wie und warum die Simulation eingesetzt wird. Gleichzeitig sollte immer wieder der Nutzen der Simulation hervorgehoben und veröffentlichen werden, und natürlich auch immer wieder überprüft werden.

In der Vergangenheit war die Simulation fürs Management meist nur ein Randthema. Welchen Stellenwert sollte das Management der Simulation heute und in Zukunft geben?

Die Projekte zur Ausweitung der Simulation bei Endress+Hauser wären nicht realisierbar gewesen, wenn wir nicht die erklärte Unterstützung – das heißt nicht nur die Zustimmung – von der obersten Ebene der Unternehmensleitung gehabt hätten. Dabei ging es gar nicht um besonders hohe Investitionen. Darüber hätten die Beteiligten sogar selbst entscheiden können, es ging viel mehr um die strategische Ausrichtung der Entwicklungsprozesse.

Bei den Entwicklungsleitern musste nicht lange argumentiert werden, um sie zu überzeugen und ihre Zustimmung zu erhalten. Ihnen war klar, dass Simulation die Prozesse beschleunigt und verbessert und es von großem Vorteil ist, wenn jeder simulieren kann. Unter diesen günstigen Konstellationen stellten wir fest: Was gestern noch undenkbar war, ist heute schon selbstverständlich und morgen nicht mehr wegzudenken. Mit dieser Herangehensweise können wir unsere Produkte auch morgen noch erfolgreich verkaufen. Denn uns allen ist klar, dass die Konkurrenz nicht schläft.

Vielen Dank für das Gespräch, Dr. Kaiser, und Endress+Hauser weiterhin viel Erfolg beim Simulieren.

Endress+Hauser Management AG
www.endress.com

Bilder: © Endress+Hauser
Veröffentlicht: Mai, 2022

Kontakt CADFEM

Solution Architect, System & Process Integration