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Kundenspezifische Wellringfedern mit FEM-Simulation und Metamodell sicher entwickeln

Feder – leicht berechnen

Federn als Maschinenelemente sind im Allgemeinen gut bekannt und ihr Verhalten ist relativ einfach berechenbar. Jedoch gilt die Wellringfeder aufgrund ihrer komplexeren Geometrie als Ausnahme. Ihre Auslegung und Produktion sind deutlich anspruchsvoller als bei anderen Federn. Deshalb geht das Unternehmen BAUMANN in der Schweiz nun neue Wege. In einem geförderten Projekt (Innosuisse) entwickelt es gemeinsam mit der Hochschule OST auf Basis der Simulationssoftware Ansys einen neuartigen Workflow.

Für die Federn von BAUMANN bieten sich vielfältige Einsatzmöglichkeiten

Die BAUMANN Gruppe steht seit mehr als 135 Jahren für Schweizer Präzision und Qualität und entwickelt sich vom lokalen Generalisten zum globalen Spezialisten. Dabei bilden Federn, Stanzteile und weitere Spezialteile den Mittelpunkt des Angebots für den Automobilbau sowie den industriellen und medizinischen Einsatz. Ziel ist es, den Kunden mit einem lösungsorientierten Ansatz optimal zu bedienen, und das geht oftmals weit über Federn hinaus.

Ideal für geringe Bauhöhen geeignet

Beispielsweise ermöglichen Wellringfedern eine Reduktion der Einbauhöhe um bis zu 60 Prozent im Vergleich zu konventionellen Druckfedern bei gleicher Kraft und gleicher Höhe. Der Grund dafür liegt im kompakten Aufbau der Federn, der auf einer sinuswelligen Form im Zusammenspiel mit tangentialen Berührungspunkten basiert.

 

Die einteilig hergestellten Wellenringfedern haben eine flach verlaufende Kennlinie, was einer nahezu gleichmäßigen Krafteinleitung entspricht und für viele Anwendungen von Vorteil ist. Die von BAUMANN hergestellten Wellringfedern sind für Einbauräume mit Durchmessern von 5 bis 250 Millimetern bei statischen und leicht dynamischen Anwendungen geeignet. Charakterisiert werden sie sowohl durch den Durchmesser sowie die Anzahl der Windungen und Wellen als auch durch die Breite und Dicke des Drahtes und die Materialkennwerte. Alles zusammen beeinflusst die für jede Feder spezifische Kraft-Weg-Kennlinie.

Wellenringfedern sind vielseitig einsetzbar

Die Kunden von BAUMANN haben die Auswahl aus einer Vielzahl von unterschiedlichen Wellenringfedertypen, beispielsweise für Türöffnungssysteme im Auto, für Ventile und Schalter sowie zur Verabreichung von Medikamenten. „Wir unterstützen unsere Kunden bei ihren Produktstrategien mit unserer anwendungsspezifischen Expertise“, berichtet Martin Oschwald, Leiter der Forschung und Entwicklung bei BAUMANN. „Unsere Lösungen für den Kunden sind dabei genau auf das Design und den Zweck des jeweiligen Gerätes zugeschnitten. So ermöglichen unsere Produkte beispielsweise das definierte Ein- und Ausfedern in Ventilsystemen oder stellen die Bremsung in angetriebenen Heckklappen-Systemen sicher.“ Traditionell waren die Kundenanfragen durch spezifische geometrische Abmessungen und meist einen Betriebspunkt auf der Kraft-Weg-Federkennlinie definiert. In jüngster Vergangenheit steigen jedoch die Anforderungen an die Performance, aber auch die Designs werden spezifischer. „Das führt bei uns zu höheren Herausforderungen bei der Auslegung der Federn und überdies wollen wir natürlich auch für zukünftige Anforderungen gerüstet sein“, erklärt Martin Oschwald. „Im Markt für Wellringfedern sehen wir noch sehr viel Potential. Aber für belastbare Angebote sind bisher oftmals noch zahlreiche Arbeitsschritte notwendig. Außerdem ist der Kostendruck erheblich, so dass wir weiteres Optimierungspotential durch die Digitalisierung erschließen wollen. Unser Ziel ist es, die Durchlaufzeit von der Kundenanfrage bis zum verbindlichen Angebot von Wochen auf Tage zu reduzieren.“

Aufwendige Erstellung von Prototypen

Bisher erfolgte die Auslegung mit einem einfachem Modellansatz, auf dessen Grundlage ein erstes Angebot mit technischen Vorbehalten erstellt wurde. Bestellte der Kunde einen entsprechenden Prototypen, starteten die Federspezialisten bei BAUMANN mit der Fertigung von ersten Prototypen. Deren Design basierte auf einer Auslegungsumgebung auf Excel-Basis, in der viele Erfahrungswerte gespeichert sind. Bei dieser Arbeitsweise gehörte ein iteratives Vorgehen zur täglichen Praxis. Erst wenn auf diesem Wege eine annehmbare Lösung gefunden wurde, konnte die Musterproduktion zur Überprüfung der Herstellbarkeit starten. „Trotz der steigenden Anforderungen soll die Komplexität bei der Auslegung und Fertigung der Wellringfedern für uns beherrschbar bleiben“, erläutert Martin Oschwald. „Deshalb haben wir gemeinsam mit der Ostschweizer Fachhochschule OST ein Projekt gestartet, um unsere Prozesse zu optimieren. Das Projekt wurde von Innosuisse gefördert und dauerte zwei Jahre. Ziel dieses Projektes war es unsere Prozesse schneller, standardisierter und digitaler zu gestalten.“

 Martin Oschwald Leiter der Forschung und Entwicklung, BAUMANN
Martin Oschwald
Leiter der Forschung und Entwicklung, BAUMANN

Unser Ziel ist es, die Durchlaufzeit von der Kundenanfrage bis zum verbindlichen Angebot von Wochen auf Tage zu reduzieren.

Gemeinsames Projekt mit Ostschweizer Fachhochschule

Gemeinsam mit dem Institut für Entwicklung Mechatronischer Systeme (EMS) in Buchs wurde die Wellringfeder sowie deren Umformprozess in der Produktion untersucht und in der Simulationsumgebung von Ansys abgebildet. Die Simulation von statisch-mechanischen und dynamischen Systemen gehört zu den Kernkompetenzen des Instituts EMS. Durch solche industrienahen Forschungsfragen werden innovative Technologien und das erarbeitete Wissen von der Fachhochschule in die lokale Industrie transferiert. Wichtige Fragen während des Projektes waren unter anderem: Welche Feder-Parameter haben welchen Einfluss für die Auslegung? Wie verhält sich die Feder auf der Bearbeitungsmaschine? Wie können digitale und reale Prozesse miteinander abgeglichen werden, um reproduzierbare Einstellungen für die Fertigung zu erhalten? Die neuen Prozesse sollten so gestaltet sein, dass sich die Mitarbeiter zukünftig auf die wertschöpfenden Tätigkeiten fokussieren können. Gleichzeitig sollte der Mehrwert für den Kunden gesteigert werden.

Das digitale Modell der Wellringfeder

Im ersten Schritt des Projektes wurde auf Grundlage der vorhandenen CAD-Geometrie ein parametrisches FEM-Modell (Finite Elemente Methode) einer Wellringfeder mit der Simulationssoftware Ansys erzeugt. Neben den charakteristischen Merkmalen der Feder – wie Durchmesser, Anzahl der Windungen und Wellen, Breite und Dicke des Drahtes sowie den Materialkennwerten – wurden bei der Simulation auch andere Einflüsse berücksichtigt, zum Beispiel die Vorspannung und das Setzverhalten. Die Abbildung des Workflows erfolgte in einer Erweiterung der Simulationsumgebung, die mit ANSYS ACT (Application-Customization-Toolkit) gestaltet wurde, so dass den Ingenieuren bei BAUMANN eine anwendungsspezifische Benutzeroberfläche und ein vollständig automatisierter Berechnungsprozess für die Auslegung der Wellringfedern zur Verfügung steht.

Das vereinfacht den Aufwand enorm, da die Simulationen direkt die notwendigen Daten zu den auftretenden Spannungen und für die Federkennlinie zur Auswertung von Betriebspunkten liefert. Ein weiterer Pluspunkt ist das vollständig parametrische FEM-Modell, mit dem sehr einfach Parameter-Studien von Simulationen durchführbar sind. So lassen sich die Werte der charakteristischen Merkmale beliebig variieren und kombinieren, um mehr über das Verhalten der Federvarianten zu erfahren und eine optimale Lösung zu finden.

Modell-Verifikation auf dem Prüfstand

Ein weiterer wichtiger Aspekt ist die Verifikation der Simulationsergebnisse mit real durchgeführten Versuchen und Messungen. Grundlage für einen belastbaren Vergleich von realen, gemessenen Federdaten mit den Ergebnissen der virtuell aufgebauten und simulierten Federn. „Damit wir nicht Äpfeln mit Birnen vergleichen, muss für die Simulation zunächst die Ist-Geometrie der Feder mit einem geeigneten Verfahren, in diesem Fall der Streifenlicht-Projektion, erfasst werden“, betont Martin Oschwald. „Nur einfach die theoretische Soll-CAD-Geometrie zu berücksichtigen, ist nicht ausreichend und könnte zu verfälschten Vergleichsergebnissen führen.“

 

Ebenso werden beim Vergleich auch die axialen Vorspannungen beachtet, die bei der Herstellung entstehen. Gleiches gilt für das Einfeder- und Setzverhalten, das ebenfalls simuliert werden kann. Insgesamt ist der Leiter der Forschung und Entwicklung bei BAUMANN mit dem Vergleich der Ergebnisse von Versuch und Simulation sehr zufrieden, da eine gute Übereinstimmung festgestellt werden konnte. Damit ist der Weg frei für den Einsatz der FEM-Simulation als Standard zur Auslegung von Wellringfedern.

Optimierer behält verschiedene Ziele im Blick

„Eine der größten Herausforderungen für uns ist es, eine optimale Lösung sowohl für die unterschiedlichen Bedürfnisse des Kunden zu finden als auch unsere Interessen als Hersteller nicht aus den Augen zu verlieren“, erklärt Martin Oschwald. „Bisher haben wir einen manuellen, iterativen Ansatz verfolgt, der oft langwierig und nicht immer direkt zum gewünschten Ziel führte. Deshalb haben wir uns mit neuen Methoden auseinandergesetzt, unter anderem mit dem Metamodel of Optimal Prognosis, das in Ansys optiSLang enthalten ist.“ Damit lässt sich durch Variantenstudien das Produktverhalten zielgerichtet, schnell und kosteneffizient verbessern. Sensitivitätsanalysen ermöglichen dabei die Identifikation der maßgebenden Parameter. Über Antwortflächen können die Zusammenhänge zwischen den Designvariationen und den variierenden Produkteigenschaften in Sekunden anstatt Tagen ermittelt und verdeutlicht werden. Außerdem ist es möglich, unterschiedliche Optimierungsziele gleichzeitig zu berücksichtigen, wobei evolutionäre Algorithmen verwendet werden, um den Ergebnisbereich abzusuchen. So lassen sich Lösungen für Wellringfedern finden, die sowohl von der Funktionalität als auch von den Herstellkosten die Werte erreichen, die von BAUMANN angestrebt wurden. Bisher ist diese Methodik bei BAUMANN nur in einigen Bereichen eingesetzt worden, wobei die Erfolgsquote hoch ist. Deshalb soll die Nutzung jetzt Schritt für Schritt ausgebaut werden.

Digitale Modelle für Produktionsabläufe

„Auch für die Produktion – und speziell die Umformungen bei der Herstellung der Federn – sollen die Prozesse mit Simulationsunterstützung verbessert werden. Hier steht die Frage nach den erforderlichen Input-Parametern für die gewünschten Wellringfedern im Mittelpunkt des Interesses. So wird mit Simulationen der zu erzeugende Federdurchmesser berechnet, wobei die Position der Umformwerkzeuge eine entscheidende Rolle spielt, so dass die Positionstoleranz möglichst klein gehalten werden muss. Ebenso wird die Erzeugung der gewünschten Welle mit Simulationen analysiert, um die Anregung durch Maschinenparameter weiter verbessern zu können. Hier interessiert die Federspezialisten, welche Parameter welchen Einfluss auf die Ausprägung der Wellengeometrie der Feder haben. Diese Simulationen werden bisher noch hauptsächlich im 2D-Bereich durchgeführt und sorgen für ein besseres Verständnis der Herstellprozesse. Langfristiges Ziel ist es, mehr Erkenntnisse darüber zu erhalten, welche Input-Werte konkret erforderlich sind, um die gewünschten Merkmale der jeweiligen Wellringfeder zu erhalten.

Durchgängiger Workflow entwickelt

Die bisher erreichten Ziele innerhalb des Innosuisse-Projektes, das BAUMANN zusammen mit der OST angegangen ist, sind sehr viel versprechend. Dabei verweist der Leiter für Forschung und Entwicklung bei BAUMANN zunächst auf die generellen Möglichkeiten, die sich durch das Projekt ergeben haben: „Wir erhielten so einen breiteren Zugang zu neusten Technologien und konnten für uns bisher unbekannte Methoden erproben. Die neuartigen Denkansätze aus dem Hochschulbereich halfen uns dabei, Dinge umzusetzen, die wir im normalen Arbeitsalltag nicht hätten stemmen können. Die wichtigsten Voraussetzungen für den Erfolg waren einerseits die Zeit, die notwendig ist, um sich intensiv mit dem Thema zu beschäftigen. Andererseits muss auf allen Ebenen die Offenheit für Veränderungen und Innovationen vorhanden sein, um gemeinsam eine firmeneigene Vision zur Integration der neuen Technologien zu entwickeln.“ In diesem Sinne wurden die Prozesse für die Herstellung von Wellringfedern umfassend analysiert und Potential für die Neugestaltung aufgezeigt. Dazu war es notwendig, neuartige Workflows zu entwickeln, aufzubauen und zu implementieren. Durch Standardisierung, Optimierung und Digitalisierung erzielten die Federspezialisten mehr Prozesssicherheit und konnten die Abläufe beschleunigen. Zusätzlich wurden auch die Fähigkeiten bei der Zusammenarbeit mit externen Partnern und Hochschulen verbessert.

„Am wichtigsten für uns war es natürlich Technologien zu entwickeln, die das Potential haben, den Angebotsprozess erheblich zu verkürzen, und das haben wir erreicht“, betont Martin Oschwald. „Wenn wir lediglich von einem Tag Ersparnis pro Angebot ausgehen, macht dies bei 100 Angeboten pro Jahr schon eine Zeitersparnis von 100 Tagen aus. Außerdem sind wir mit den Parameteranalysen, die wir mit Ansys optiSLang durchführen, zusätzlich in der Lage, die unterschiedlichen Optimierungsziele direkt im Blick zu behalten. Ein weiterer wichtiger Aspekt der stetigen Weiterentwicklung ist, dass sich die Methodik und die Technologien, die wir jetzt für die Wellringfedern erfolgreich einsetzen, auf andere Federarten übertragen lassen. Somit können wir zukünftig auch dort immer öfter auf langwierige und inneffiziente Designfindungs-Prozesse verzichten und auf direktem Weg unsere Ziele erreichen.“

Mit den Simulationen und den zusätzlichen Parameteranalysen mit Ansys optiSLang sind wir in der Lage, schnell und sicher Designs für die gewünschten Wellringfedern zu erstellen, bei denen die unterschiedlichen Optimierungsziele im Blick bleiben.

 

Martin Oschwald, Leiter der Forschung und Entwicklung bei BAUMANN

BAUMANN Springs Ltd.
Martin Oschwald
Leiter der Forschung und Entwicklung
martin.oschwald@baumann-group.com

Autor: Gerhard Friederici
(CADFEM Germany GmbH)
Bilder: © BAUMANN Springs Ltd.
Veröffentlicht: März, 2023

 

 

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