Simulation ist mehr als Software

Kostenlose Testversion
0
Wunschliste
0 0
Warenkorb

Direktkontakt
DE

Armbanduhr wird mit elektrischer Energie aus Körperwärme betrieben

Am Puls der Zeit

Batterien versorgen Armbanduhren und andere Wearables mit Energie. Mit Energie, die eigentlich schon an Ort und Stelle ist. Hier beginnt die Mission eines Schweizer Start-ups: Die Mithras Technology AG entwickelt Systeme, über die die menschliche Körperwärme in elektrische Energie umgewandelt wird. Simulationen mit Ansys liefern dazu wertvolle Informationen.

Nie wieder die Batterie einer Uhr wechseln oder den Akku aufladen? Das ist das Ziel des Systems von Mithras, das Körperwärme in elektrische Energie umwandelt. Direkt am Körper getragene Geräte mit kleinen Leistungsaufnahmen können so autonom angetrieben werden. Die Vorteile sind aktueller denn je: Batterien werden in diesem Segment überflüssig und mit ihnen der CO2-Abdruck, den sie in ihrem Lebenszyklus von der Materialbeschaffung über Herstellung, Verpackung, Transport bis hin zu Entsorgung oder Recycling hinterlassen.

Wie entsteht elektrische Energie aus Körperwärme?

Eigentlich ist die Gewinnung von elektrischer Energie aus Körperwärme ineffizient. Andererseits: Ob man will oder nicht, der menschliche Körper strahlt im Schnitt täglich 100 W Leistung ab und jedes daraus gewonnene μW ist zu 100% saubere Energie. Es lohnt sich also doch.

Die physikalische Grundlage dafür ist die Carnot-Formel, die die maximale Effizienz bei der Gewinnung von Energie aus Wärme beschreibt:

Tw ist die absolute Temperatur auf der warmen, Tk die auf der kalten Seite. Tw  ist bei normalen Hauttemperaturen im Bereich von 305 K. Bei einen ΔT  von 1 K ist die maximal erreichbare Leistung 0.3%. Die Umwandlung der thermischen in elektrische Energie erfolgt über einen Thermoelektrischen Generator (TEG). Er hat eine Schlüsselfunktion, reduziert die Effizienz allerdings zusätzlich auf dann noch 0.1%. Wenn man die gesamte Körperoberfläche nutzen könnte, blieben 100 mW übrig. Natürlich kann nur ein kleiner Teil der Körperoberfläche genutzt werden. Es geht also darum, das ΔT zu maximieren, um möglichst viel Leistung zu erhalten.

Projekt Uhr: Ohne Batterie zur richtigen Zeit

Mit der Effizienz des Umwandlungsprozesses wächst das Potenzial der Technologie, zum «Game Changer» für Hersteller von Wearables zu werden. Die Branche hat dies erkannt: So ist unter anderem ein großer Name der Uhrenindustrie mit konkreten Vorstellungen an Mithras herangetreten, um deren Umsetzung in einer Studie zu ermitteln:

Zu klären war am Beispiel eines typischen Produktes aus dem Sortiment des Herstellers:

  • Ist der autonome Betrieb durch Körperwärme möglich, wenn die benötigte Leistung für den Betrieb des vorgesehenen Uhrwerks 10 μW beträgt?
  • Welcher TEG wird empfohlen unter der Prämisse, dass sich die Bauhöhe der Uhr allenfalls marginal vergrössert und das unverwechselbare Design der Uhrenmarke erhalten bleibt?

Simulation auf der Basis von Messwerten

Für die Beantwortung dieser Fragen hat sich das Team von Mithras für eine zweigleisige Vorgehensweise entschieden: Zum einen über den konservativen Weg eines physikalischen Funktionsmusters. Zum anderen über ein daraus abgeleitetes Simulationsmodell und eine numerische Analyse in Ansys Workbench.

Die Idee hinter dieser Strategie ist klar: Bei einer weitgehenden Übereinstimmung der ermittelten Werte kann von deren Richtigkeit ausgegangen werden. Gleichzeitig wird die Qualität der berechneten Ergebnisse bestätigt, was Mithras bei Folgeprojekten in die Lage versetzt, seinen Kunden über Simulationen generell äußerst schnell, flexibel und ressourcenschonend verlässliche Aussagen und individualisierte Entscheidungsgrundlagen für das Setup der Technologie zu liefern.

Technologie, die unter die Haut geht

Neben den geometrischen Maßen der Uhr und dem Bauraum für das TEG ist das Wissen über das thermische Verhalten der Haut der entscheidende Faktor. Es ist eine Rechnung mit vielen Unbekannten und nur einer einzigen verlässlichen Grösse, nämlich die der Kerntemperatur des Menschen von 37°C. Und schon wird es komplex: Haut hat eine Wärmeleitfähigkeit, die extrem variieren kann: Sie hängt ab von Alter, Geschlecht, Genetik oder auch der körperlichen Aktivität eines Menschen.

Haut unter der ingenieurwissenschaftlichen Lupe

Dr. Moritz Thielen ist wissenschaftlicher Berater von Mithras und hat sich während seiner Dissertation an der ETH Zürich intensiv mit der Wärmeleitfähigkeit der menschlichen Haut beschäftigt. Mit seiner Forschung hat er für die Lösung dieser zentralen Herausforderung eine wichtige Vorarbeit geleistet. Abhängig von verschiedenen Aktivitäten, die diese ausführten, hat er bei einer grossen Anzahl von Testpersonen die Wärmeleitfähigkeit deren Haut gemessen, dokumentiert und ausgewertet. Innerhalb dieser äußerst heterogenen Grundgesamtheit hat Moritz Thielen den Medianwert über alle Testpersonen für die jeweiligen Aktivitäten berechnet.

Aber es gibt noch weitere wichtige Aspekte, die im Modell berücksichtigt werden müssen: So tragen die meisten Menschen ihre Uhr nicht eng am Handgelenk, da sonst ein unangenehmes Druckgefühl entsteht. Es gibt also einen nicht zu vernachlässigenden Wärmeübergang zwischen Uhr und Haut. Auch diesen Wert für den thermischen Übergang hat Moritz Thielen in Abhängigkeit vom Anpressdruck ermittelt.

Messwerte aus Funktionsmuster als Referenz

Das Funktionsmuster für die experimentelle Messung der Konstellation besteht aus einem Sandwich aus Aluminium-Grundplatte (Kollektor), einem doppelten TEG und einer Aluminiumscheibe (Kühlplatte). Es wird von acht Polyamid-Schrauben zusammengehalten. Am Kollektor ist ein Uhrenarmband befestigt. Die Kühlplatte wurde mit weisser Farbe bemalt, um damit den Emissionskoeffizienten zu erhöhen.

Auf dieser Basis wurde im ersten Schritt in einer Vorstudie überprüft, ob es möglich ist, daraus ein Simulationsmodell in Ansys Workbench zu erstellen, welches die Messwerte widerspiegelt.

Vorstudien für die Simulation

Anhand des Modells wurde zur Berechnung der Temperaturverteilung in Ansys eine transiente thermische Analyse durchgeführt und die Simulationsergebnisse mit denen aus der Messung verglichen. Im Simulationsmodell mussten weitere idealisierte und zugleich realistische Annahmen getroffen werden: So wurde die Innenseite der Haut als thermische Quelle mit einer konstanten Temperatur von 37°C und für die Senken übliche Werte für Abstrahlung und Konvektion definiert. Bei den Emissionskoeffizienten der Oberfläche hin zur Umgebung oder zu den gegenüberliegenden Flächen fiel die Entscheidung auf konservative, d.h. eher kleine Werte für Metalloberflächen.

Die Haut erhielt einen Emissionskoeffizienten von nahe 1, genauso wie die weisse Farbe. Bei der Konvektion wurde von unbewegter Luft ausgegangen. Der Wärmeübergang zwischen Haut und Kollektor wurde im Modell durch speziell definierte Kontakte abgebildet. Diesen Kontakten wurde ein manueller Wärmeleitwert zugewiesen.

Die Temperatur im Gleichgewichtzustand ist für die Wärmeleitfähigkeit der Haut, die dem Median aus der Studie von Moritz Thielen entspricht, leicht geringer als die der Messung. Da der Proband, d.h. der Träger des Funktionsmusters, im Vergleich zu anderen Personen im Team eine Haut mit überdurchschnittlicher Wärmeleitfähigkeit hat, wurde die Simulation mit einer höheren Leitfähigkeit wiederholt. Die so gesetzten Modellbedingungen spiegelten die Realität im thermischen Gleichgewicht gut wider. Die Differenz am Anfang der Vergleichsperiode konnte auf das Anlegen des Funktionsmusters an die Hand zurückgeführt werden, denn dies erfolgt nicht zeitlich instantan ist wie bei der Simulation.

 Reinhard Müller-Siebert Head of Engineering, Mithras Technology AG
Reinhard Müller-Siebert
Head of Engineering, Mithras Technology AG

Als Produktentwickler habe ich über 15 Jahre Erfahrung mit Simulationen in unterschiedlichen Gebieten. Es ist für mich immer wieder faszinierend welche Informationen durch Simulationen gewonnen werden können, die mir mit einem reinen Try-and-Error-Ansatz verborgen bleiben. Das «Durchspielen» verschiedener Varianten wie hier bei Mithras ist sehr hilfreich und schnell. ANSYS bietet den optimalen Werkzeugkasten dafür.

Parametrisches Modell der Uhr

Nach dieser Vorstudie wurde das Simulationsmodell der Uhr erstellt, wobei die Materialwerte der Haut und der spezielle Kontakt von der Uhr zur Haut aus dem Modell des Funktionsmusters übernommen wurden.

Es gibt eine grosse Anzahl von verschiedenen TEGs, die eingesetzt werden könnten. Sie unterscheiden sich in der Anzahl Thermoelemente, deren Querschnitten und Längen. Daher wurde das Modell in Ansys parametrisch mit diesen drei geometrischen Grössen aufgebaut. Da sich mit diesen Parametern das gesamte Modell änderte, waren 60 interne, teils recht komplexe Zuweisungen notwendig.

Die geforderte Leistung von 10 μW soll auch dann erzeugt werden, wenn der Träger inaktiv war. Unter thermischen Gesichtspunkten ist dies mit einem stationären Zustand vergleichbar, weshalb auch eine stationäre thermische Analyse ausreichend war. Darüber hinaus muss bedacht werden, dass auch das Anlegen der Uhr nicht gut modelliert werden kann, wie bereits beim Funktionsmuster zu sehen war. Eine transiente thermische Analyse würde also keine relevante Zusatzinformation liefern.

Die Quellen und Senken wurden analog zum Modell des Funktionsmusters gesetzt. Für das Glas über dem Zifferblatt wurde ein hoher Emissionswert genommen, da Glas im sichtbaren Spektrum zwar transparent ist, aber intransparent im mittleren Infrarotbereich.

Aus den Temperaturverteilungen wurden die Temperaturdifferenzen über den Thermoelementen im TEG extrahiert und damit die gewonnene Leistung. Von den 25 TEGs lieferten 11 die notwendige Leistung. Daraus wurde der TEG bestimmt, der die geringste Bauhöhe aufwies und damit einen kompakten Einbau in die Uhr zulässt.

00:35 minTemperaturverteilung bei unterschiedlichen Konfigurationen der Uhr

Vorteil von Simulationen gegenüber Try-and-Error

Mit Hilfe der thermischen Analyse in Ansys berechneten die Mithras-Ingenieure innerhalb von kurzer Zeit die Temperaturverteilungen für verschiedene TEGs. Den gesamten Prozess von der Modellierung über die Simulation bis hin zur Auswertung wurde in einem Bruchteil der Zeit bewältigt, die für die Konstruktion, den Aufbau und die Messung der einfachen Funktionsmuster üblich ist. Damit zeigt sich der grosse Vorteil von Simulationen gegenüber dem Try-and-Error-Ansatz.

Mithras Technology AG
www.mithras.tech

Autor: Dr. Reinhard Müller-Siebert (Mithras Technology AG)
Bilder: © Mithras Technology AG
veröffentlicht: September 2022

Kontakt CADFEM

Geschäftsführer