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Tech Artikel | 23/05

Freiformoptimierung eines Wärmetauschers

Ingenieure stehen ständig vor Optimierungsaufgaben: Wie das Bauteil designen, um eine Effizienzsteigerung zu erzielen? Wo ist der größte Einfluss? In der Strömungsmechanik wird das Ganze noch komplexer: Nichtlineare Effekte führen zu unklaren Ursache-Wirkungs-Prinzipien. Lesen Sie hier, wie der Fluent Adjoint Solver für die Optimierung eines Wärmetauschers genutzt werden kann.

Parameteroptimierung oder Freiformoptimierung?

Bei der Frage, ob eine Parameter- oder eine Freiformoptimierung durchgeführt werden sollte, ist eher die Reihenfolge von Bedeutung als die Entscheidung für eines der beiden Verfahren. So legt die Parameteroptimierung zunächst die generellen Dimensionen und Prozessparameter fest – beispielsweise die Anzahl der Kühlrippen – und die Freiformoptimierung entfaltet anschließend das volle Potential des Designs. Für das hier gezeigte Beispiel gehen wir von einem voroptimierten Wärmetauscher aus, der eine aufgeheizte Platte abkühlen soll (Abb.: 1 Design Tab (oben)). Die Optimierungsaufgabe besteht darin, die Temperatur der Platte lediglich durch Verformung der Strömungsführung soweit es geht zu reduzieren.

Gehen wir einen Schritt zurück und generieren aus unserer Zielsetzung die nächsten logischen Fragen: An welcher Stelle des Wärmetauschers muss ich ansetzen, um die Effizienz zu steigern? Wo entfalten Geometrieänderungen die größte Wirkung? Wenn wir an die Parameteroptimierung denken, wollen wir zur Reduktion des Rechenaufwands möglichst nur dort Geometrieparameter einsetzen, wo auch signifikante Einflüsse auf unsere Zielgröße erwartet werden. Da der Fluent Adjoint Solver basierend auf nur einer CFD-Rechnung bereits Aussagen zu Sensitivitäten liefert, kann er nicht nur im Sinne der Freiformoptimierung, sondern auch im Sinne der Parameterwahl bzw. der Identifikation einflussreicher Gebiete verwendet werden.

Wie die obige Ausführung zeigt, ist der Fluent Adjoint Solver im strengen Sinne kein Optimierer, sondern ein Tool zur Identifikation von Sensitivitäten. Erst in Kombination mit der auf Sensitivitäten basierenden Netzverformung (Mesh Morphing) ergibt sich der eigentliche Freiformoptimierer. Da die alleinige Betrachtung der Sensitivitäten bezüglich einer frei wählbaren Zielgröße im Designprozess bereits viele Fragen beantworten kann, konzentrieren wir uns zunächst auf die Sensitivitäten selbst und weniger auf die dann folgende Optimierung. Der Adjoint Solver ist zusammen mit den komplementären Tools in der Fluent GUI unter dem Punkt Design zu finden (Abb.: 1 Wärmetauscher (unten)).

Adjoint Solver: Woher kommen die Sensitivitäten?

Obwohl der Adjoint Solver nicht mit Parametern im eigentlichen Sinne (z.B. Durchmesser, Abstände,…) arbeitet, hat er dennoch Eingangsgrößen wie Zellkoordinaten und Randbedingungen, deren Kombination wir hier als Eingangsvektor verstehen wollen (Abb.: 2 Berechnung der Sensitivitäten). Klassische Sensitivitätsanalysen würden nun basierend auf kleinen Änderungen des Eingangsvektors die jeweiligen Effekte auf die Zielgröße bestimmen. Da für jede dieser Änderungen eine neue CFD-Analyse durchgeführt werden muss, ist diese Vorgehensweise bei typischen CFD-Netzen (Größenordnung 1 Mio. Zellen) weder wirtschaftlich noch zielführend.

Wie aber ohne eine klassische Sensitivitätsanalyse die Einflüsse des gesamten Eingangsvektors bestimmen? Der Adjoint Solver bedient sich hier eines mathematischen Tricks, durch den die Sensitivitäten durch das Lösen einer neuen Differentialgleichung auf dem bereits existierenden Netz berechnet werden. Benötigt wird lediglich eine zuvor durchgeführte CFD-Analyse. Hierbei ist zu beachten, dass es sich – im Gegensatz zur Strömungsmechanik – um lineare Zusammenhänge handelt, deren Vorhersagegüte von daher bei großen Änderungen des Eingangsvektors abnimmt.

Da wir uns im Rahmen des Fluent Adjoint Solvers typischerweise mit Freiformoptimierungen beschäftigen, sind vor allem die Sensitivitäten der Wände bzgl. einer Zielgröße von Interesse. Die Ergebnisse geben allerdings noch einen deutlich tieferen Einblick in das Design. So können beispielsweise auch die Effekte zusätzlicher Turbulenz oder lokaler Wärmequellen oder -senken abgeschätzt werden.

Effizienzsteigerung eines Wärmetauschers

Für unseren Wärmetauscher benötigen wir zunächst eine CFD-Rechnung. Die Randbedingungen sind ein Totaldruck von 100 Pa am Einlass, ein statischer Druck von 0 Pa am Auslass und ein Wärmestrom von 10 W über die Grundplatte. Thermische Verluste an die Umgebung werden vernachlässigt. Die Vorgabe eines Druckgefälles hat gegenüber einer Massenstrom-Randbedingung den Vorteil, dass eine potenzielle und unerwünschte Verengung des Strömungskanals verhindert wird. Die CFD-Analyse zeigt eine deutliche Ungleichverteilung der Temperatur und der Wärmestromdichte zwischen den vier Kanälen (Abb.: 3 CFD Ergebnisse und Sensitivitäten, Nr. 1 und Nr. 2).

Die Zielgröße ist in diesem Fall naheliegend: Die über die aufgeheizte Platte gemittelte Temperatur. Dem Adjoint Solver ist zunächst egal, ob es sich um eine Minimierungs- oder eine Maximierungsaufgabe handelt, da dies lediglich in vorzeichenverkehrten Sensitivitäten resultiert. Die Richtung der Sensitivitäten ist erst für das Postprocessing und für eine Optimierung bedeutend. Zunächst arbeiten wir mit Diskretisierungsverfahren erster Ordnung, da zu Beginn die Richtung und der Ort der Sensitivitäten wichtiger sind als deren Betrag. Zudem liefern Verfahren höherer Ordnung erst nahe einem Optimum die nötige zusätzliche Genauigkeit. Optionale Stabilitätsverfahren helfen, das Konvergenzverhalten zu verbessern.

Der Plot der Sensitivitätsvektoren zeigt, dass insbesondere der Eintrittsbereich in die vertikalen Kanäle einen großen Einfluss auf die Zielgröße hat (Abb.: 3 CFD Ergebnisse und Sensitivitäten, Nr. 3). Die Vektoren geben hier die Richtung an, in die die Wände verformt werden müssten, um die Oberflächentemperatur der aufgeheizten Platte zu reduzieren. Für eine folgende Freiformoptimierung heißt dies, dass die größten Änderungen in diesem Bereich zu erwarten sind. Für eine Parameteroptimierung erhalten wir so ein Indiz für eine effiziente Platzierung der Geometrieparameter. Die Sensitivität bezüglich der Turbulenz zeigt, dass im Bereich der Kanäle eine Erhöhung der Turbulenz in Wandnähe zu einer Temperaturreduktion der Platte führen würde (Abb.: 3 CFD Ergebnisse und Sensitivitäten, Nr. 4).

Die Freiformoptimierung

Die Sensitivitäts-basierte Freiformoptimierung verbirgt sich unter dem Menüpunkt Gradient-Based-Optimizer. Da die Vorhersagen der Sensitivtäten linear sind, wird der Weg vom Start- zum Zieldesign in mehrere Design-Iterationen unterteilt. Hierbei besteht eine Design-Iteration aus 4 Schritten:

  • Berechnung der Sensitivitäten
  • Mesh Morphing
  • Netz Optimierung
  • CFD-Berechnung

Für das Mesh Morphing bietet Ansys Fluent drei verschiedene Morphing-Methoden, die wir Ihnen in einem weiteren Artikel näherbringen werden. Die Optimierung wird beendet, wenn kein Verbesserungspotential mehr besteht – wir sprechen hier von einer konvergierten Optimierung.

Schauen wir uns die Freiformoptimierung am Beispiel unseres Wärmetauschers an: Nach drei Design-Iterationen ist die Optimierung konvergiert, wobei die gemittelte Temperatur der beheizten Platte um 5.5 K (ca. 7,5 %) verringert werden konnte. Beim Vergleich der Temperaturverteilung vor und nach der Optimierung ist deutlich zu erkennen, dass die vier Kanäle nach der Optimierung im Gegensatz zum Startdesign alle eine ähnliche Fluid-Temperatur besitzen (Abb.: 4 Freiformoptimierung des Wärmetauschers). Außerdem weist der Nachlauf eine bessere Durchmischung und damit einen erhöhten konvektiven Wärmetransport auf.

Durch die freie Wahl der Zielgröße ist der Adjoint Solver für eine Vielzahl von Fragestellungen anwendbar. In diesem Artikel haben wir gezeigt, dass hierbei nicht nur die Freiformoptimierung von Interesse sein kann, sondern bereits die Sensitivitäten einen tiefen Einblick in das Design erlauben. So können basierend auf einer einzigen CFD-Analyse Bereiche identifiziert werden, die bezüglich einer zuvor definierten Zielgröße einen großen Einfluss haben. Dieses tiefere Verständnis kann den Designprozess effektiv unterstützen und hilft Ihnen, gezielt Designänderungen vorzunehmen.

Autor

Beratung & Service

Veröffentlicht: September 2023

Redaktion
Dr.-Ing. Marold Moosrainer
Head of Professional Development

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Rechts: © CADFEM (Austria) GmbH
Links: © CADFEM (Austria) GmbH

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