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Tech Article | 23/04

Beheben von EMV-Problemen auf PCB-Level mit Ansys SIwave

Jedes elektronische Gerät ist durch Messung der elektromagnetischen Verträglichkeit (EMV) bei einer Prüfstelle zu zertifizieren, bevor es auf den Markt gebracht werden darf. Bei den Messungen werden regelmäßig die in den Test-Standards (z.B. CISPR [EMCSTD]) definierten Grenzwerte für elektromagnetische Abstrahlung überschritten. Diese hat ihre Ursache häufig in antennenähnlichen Strukturen auf der Leiterplatte (PCB) des Geräts.

Was sind antennenähnliche Strukturen auf dem PCB?

Jeder kann sich unter dem Begriff „Antenne“ etwas vorstellen. Antennen haben die Funktion, hochfrequente Signale aus der Umgebung – wiederum durch Antennen auf Senderseite ausgestrahlt – zu empfangen, um sie angeschlossener Elektronik für die Signalverarbeitung weiterzuleiten. Man denke an die klassische Stabantenne, die es noch auf einigen Autodächern zu bestaunen gibt. Der Stab selbst wirkt als resonante Struktur für hochfrequente Ströme, die dort eine stehende Welle ausbilden. Die Ströme regen elektromagnetische Wellen an, die in die Umgebung abgestrahlt werden. Im Empfangsfall regen Wellen Ströme auf dem Stab an. Die Antenne ist ein reziprokes System. Es stellt sich die Frage, wo bei einem offensichtlichen Sendesystem wie dem Smartphone, ein solch resonanter Stab zu finden ist. Was bestimmt Form und Dimension einer Antenne?

Früher waren Antennen in aller Regel große Strukturen. Selbst die ersten Handys hatten kleine Stabantennen an den Seiten. Das gibt uns einen Hinweis darauf, dass die geometrische Größe eine zentrale Rolle für die Abstrahleigenschaften spielt. Als Faustregel gilt, je länger die Antenne, desto niedriger liegt seine Resonanzfrequenz, bei der sie besonders großes Abstrahlpotenzial hat. Es gibt weitere Faktoren, wie etwa in Reihe mit den Antennenarmen geschaltete Induktivitäten oder parallel liegende Kapazitäten. Antennenentwickler nutzen diese geschickt aus, um die Antennen zu tunen und sie klein gestalten und somit gut in Geräte integrieren zu können. Die Antenne muss nicht wie ein Stab aussehen, sondern kann auch eine gefaltete Struktur aus einem elektrischen Leiter sein, wie etwa eine Kupferleitung oder -fläche auf einem PCB.

Das ist der Knackpunkt bei PCB-Layouts. Auf einem modernen PCB sind in der Regel hunderte von Kupferstreifen und -flächen zu finden, weiterhin Kondensatoren und Spulen. Warum sollte nicht zufällig eine davon Teil einer Antennenstruktur sein, deren Resonanzfrequenz in das breite Frequenzspektrum fällt, das in EMV-Teststandards definiert wird?

Wie lassen sich Antennenstrukturen auf PCBs finden?

Nehmen Sie als Beispiel eine typische Spannungsversorgungssektion auf einer Leiterplatte. Dort ist in aller Regel ein VRM (Voltage Regulator Module) zu finden, häufig mit schaltendem Abwärtswandler mit hoher Ausgangsinduktivität L. Der Einfachheit wegen kann das VRM als ideale Spannungsquelle mit in Serie geschaltetem Innenwiderstand RSource betrachtet werden. Typischerweise wird die Spannung über große Metallflächen zu den zu versorgenden ICs (Integrated Circuits) verteilt, wobei eine Metallfläche die Versorgungsspannung trägt und eine andere den Referenzpegel, häuft als Masse (GND) bezeichnet. Diese zwei Flächen entsprechen einem Parallelplattenkondensator mit einer Kapazität C. Zusammen bilden RSource, L und C einen Parallelschwingkreis, wie in Abbildung 2 dargestellt.

Dieser Schwingkreis (Resonator) entspricht einer Antennenstruktur mit Komponenten zum Tunen. Die großen Flächen übernehmen dabei die Funktion des Stabes wie im letzten Abschnitt beschrieben, indem Sie die hochfrequenten Ströme tragen, von denen der wesentliche Teil der Abstrahlung erfolgt.
Die Resonanzfrequenz dieses Parallelschwingkreises ist etwa fres=1 ⁄ (2π√(LC)). Daraus ist erkennbar, warum gerade die großen und somit hochkapazitiven Spannungsversorgungsflächen mit angeschlossenen Induktoren kritisch hinsichtlich EMV sind. Die großen Werte für L und C schieben die Resonanzen runter in den MHz- bis niedrigen GHz-Bereich, der von vielen EMV-Standards abgedeckt wird.

Wird die Eingangsimpedanz eines solchen Schwingkreises gemessen, so ist für den Gleichfall (DC) nur der reelle Innenwiderstand RSource sichtbar. Mit zunehmender Frequenz f wird die Impedanz aufgrund des induktiven Anteils (Zind~fL) zunächst zunehmen und schließlich aufgrund des kapazitiven Anteils (Zcap~1/(fC)) abnehmen. In Summe ergibt sich ein lokales Maximum im Impedanzprofil an der Stelle der Resonanzfrequenz. Abbildung 3 zeigt ein typisches Impedanzprofil, gemessen zwischen einem Versorgungsnetz und GND an verschiedenen Positionen auf dem PCB. Die Position der Messung wirkt sich auf die Höhe des Maximums aus, nicht aber auf dessen Frequenz. Grund für die positionsabhängige Impedanz ist die stehende Welle (Spannungs- und Stromverteilung) entlang dieser Flächen, vergleichbar der eines strahlenden Antennenstabs.

Wie kann Simulation beim Finden von Resonanzen helfen?

Im letzten Abschnitt wurde gezeigt, dass sich Resonanzen im gemessenen Impedanzprofil widerspiegeln. Im Labor ist es schwierig ein solches Profil zwischen allen Lagen an verschiedenen Positionen zu messen und so die stehende Welle „sichtbar“ zu machen, da mit den Messspitzen in der Regel nur die äußeren Lagen des PCB zu erreichen sind. Mit einem Vollwellensimulator können virtuelle Messspitzen an jeder beliebigen Position in dem in Form von ECAD-Daten importierten Modell platziert werden, sogar zwischen inneren Lagen eines Mehrlagen-PCB. Das Modell kann dabei neben dem Lagenaufbau, der Geometrie der Leiterbahnen und -flächen und Vias auch diskrete Bauteile wie R, L und C enthalten.

State-of-the-art Simulationssoftware wie beispielsweise Ansys SIwave [SIWAVE] bringt zudem Visualisierungsmöglichkeiten für die Spannungs- und Stromverteilungen von Resonanzen. Dabei können per Ein-Klick-Lösung PCBs auf Resonanzen untersucht und die stehenden Wellen als Ausgangspunkt für Abstrahlung visualisiert werden. Abbildung 4 zeigt die auf diese Weise simulierten Spannungsverteilungen der in Abbildung 3 markierten Resonanzen. Aus Kenntnis über diese Verteilungen können geeignete Maßnahmen zur Unterdrückung der Resonanzen abgeleitet werden.

An dieser Stelle stellen die simulierten Resonanzen lediglich potenzielle Quellen für Abstrahlung dar. Damit abgestrahlt wird, sind diese Antennen noch mit Signalen entsprechender Frequenz zu treiben. Dazu sind zum einen Strukturen nötig, die das Signal einkoppeln. Das können Signalleitungen sein, die nah an der resonanten Struktur geführt werden, oder auch Vias, die ein Signal durch die resonanten Flächen führen. Zum anderen müssen die auf den Koppelstrukturen geführten Signale gerade einen spektralen Anteil bei der Resonanzfrequenz haben. Dieser Anteil ist jedoch in nahezu jedem gepulsten Signal (z.B. Bitfolgen oder Taktsignale) vorhanden. Folglich sollte für ein EMV-gerechtes Design die einzig handhabbare Ursache für Abstrahlung ausgeschlossen werden, nämlich das Vorhandensein von Antennenstrukturen.

Optimierungsansätze aus den Simulationsergebnissen

Kenntnis über das Aussehen der Antennen durch die Simulation liefert einen guten Startpunkt, diese zu eliminieren. Dabei gibt es zwei Ansätze. Zum einen können die Resonanzen durch Einfügen einer resistiven Komponente (z.B. ein Widerstand oder der parasitäre Widerstand eines Kondensators) gedämpft werden. Dadurch würde Leistung in diesem Widerstand “verbrannt”, statt abgestrahlt zu werden. Alternativ kann die Antenne gezielt durch Änderung von L oder C verstimmt werden. Das kann über Änderung der Länge der Antennenarme (in unserem Fall Flächen) passieren, indem diese elektrisch kurzgeschlossen werden. Im Falle von Flächen gleichen Potentials (zwei GND-Flächen) kann das Kurzschließen durch “Stitching Vias” erfolgen. Das würde einer Reduzierung der Loop-Induktivität L entsprechen und die Resonanzfrequenz erhöhen.

Um Flächen unterschiedlichen Potentials kurzzuschließen, beispielsweise eine Versorgungsspannung gegen GND können keine Vias verwendet werden, da die Flächen DC-mäßig elektrisch nicht verbunden werden dürfen. Hier kann jedoch ein AC-Kurzschluss nur für die höheren Frequenzanteile durch Einfügen von Kondensatoren erfolgen. Werden diese nah der Spannungsmaxima der resonanten Moden platziert, so würde das die stehende Welle unterdrücken, von der die Abstrahlung ausgeht. Im Resonanzprofil würde das die zugehörigen Maxima durch Verkürzung der Resonatorlänge zu höheren Frequenzen verschieben, bestenfalls bis außerhalb des EMV-Messbereichs.

In Abbildung 5 wird der Einfluss beider Varianten (Verstimmung und Dämpfung) auf das Resonanzprofil gezeigt. Im Falle der blauen Kurve wurde das zugehörige Maximum zu einer höheren Frequenz verschoben. Dabei ändert sich das gesamte Impedanzprofil, da sich das Kurzschließen auf alle Resonanzen unterschiedlich stark auswirkt und auch deren Spannungs- und Stromverteilungen beeinflusst, die jedoch am selben Punkt gemessen wurde. Im Falle von Dämfpung durch Einfügen eines Widerstands (rote Kurve) werden alle Maxima etwas gedämpft, jedoch ändert sich ihre Position auf der Frequenzachse nicht.

Abbildung 6 zeigt die simulierte elektrische Feldstärke (Maximalwert über alle Raumrichtungen) im Fernfeld (Abstrahlung). Die erhöhten Feldstärkewerte sind auf die Resonanzen zurückzuführen, die in der Simulation mit 1 Volt frequenzunabhängig (konstantes Spektrum) angeregt wurden. Die Positionen der Maxima entsprechen etwa den zuvor simulierten Resonanzfrequenzen aus Abbildung 3. Besonders die beiden Moden oberhalb von 1 GHz tragen stark zur Abstrahlung bei. Mit dem im letzten Absatz beschriebenen Optimierungsansatz wird die Abstrahlung und somit gemessene Feldstärke deutlich reduziert.

In EMV-Teststandards werden Grenzwerte für diese elektrische Feldstärke vorgegeben, die mit einer Antenne in gewissem Abstand abhängig vom Standard ermittelt wird. Der einzuhaltende Grenzwert ist ebenfalls abhängig vom Standard. Diese gibt es zahlreich für viele verschiedene Anwendungen, beispielsweise für Haushaltsgeräte [EMCSTD], Konsumer-Elektronik oder auch industrielle oder medizinische Geräte [CISPR], um nur einen kleinen Teil davon zu nennen. Was jedoch alle gemeinsam haben ist, dass Feldstärkemaxima wie in Abbildung 6 gezeigt bei nahezu jedem Standard dazu führen werden, die EMV-Prüfung nicht zu bestehen.

In diesem Artikel wurde ein Ansatz gezeigt, mit Hilfe von Simulation Kenntnis über Resonanzen auf einem PCB zu erlangen, welche Ursache für Abstrahlung sind. Mit dieser Kenntnis werden zielgerichtete Gegenmaßnahmen zur Unterdrückung der Resonanzen und somit der Abstrahlung ermöglicht, von denen hier zwei Ansätze gezeigt wurden. Die Simulation und Optimierung kann designbegleitend erfolgen und somit zeit- und kostenintensive Fertigungszyklen ersparen. Bezüglich EMV-gerechtem Design verfolgt dieser Ansatz das Motto „Vorsicht ist besser als Nachsicht“.

Autor

CAE Engineer

Veröffentlicht: August 2023

Redaktion
Dr.-Ing. Marold Moosrainer
Head of Professional Development

Titelbilder
Rechts: © Adobe Stock
Links: © [IMX] www.imx6rex.com

References
[EMCSTD] Electromagnetic compatibility – Requirements for household appliances, electric tools and similar apparatus, Part 1: Emission, International Standard CISPR 14-1, Edition 7.0, September 2020.
[SIWAVE] www.cadfem.net/de/en/our-solutions/ansys-simulation-software-the-product-family/ansys-electromagnetics/ansys-siwave.html
[CISPR] International Standard CISPR 11: Industrial, scientific and medical equipment – Radio-frequency disturbance characteristics – Limits and methods of measurement, Edition 6.0, June 2015.